Stilistische und typographische Betrachtung
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Stilistisch gesehen ist es bei wissenschaftlichen Texten immer sinnvoll, wenn eine Überschrift einen Bezug zu dem semantischen Inhalt des nachfolgenden Textes hat. Die Überschrift »Anhang« ist jedoch kein Hinweis auf den Inhalt, also die Semantik des Textes, sondern nur ein Hinweis auf die Struktur des Textes. Ein wenig überspitzt gesagt wäre das, als würde man ein Kapitel in einem Dokument »Kapitel« nennen. Was bei Prosaliteratur keineswegs unüblich ist, ist in der wissenschaftlichen Literatur ungünstig.
Teilweise wird argumentiert, dass auch ein Abschnitt »Einleitung« wie »Anhang« eine Strukturinformation sei. Das ist falsch. Während »Anhang« keinerlei Information darüber bietet, was inhaltlich unter dieser Überschrift zu finden ist (das könnten inhaltlich beispielsweise besagte Abbildungen sein, technische Datenblätter, weiterführende Informationen aller Art), ist die Überschrift »Einleitung« ein klarer Hinweis, dass es sich inhaltlich um eine Einführung in die Arbeit handelt. Es ist also damit zu rechnen, dass in Thema und Hintergründe der Arbeit und ggf. das Vorgehen bei der Erstellung der Arbeit eingeführt wird.
Darüber hinaus ist es sowohl stilistisch als auch typographisch sinnvoll, ein Gliederungsschema über das gesamte Dokument hinweg, konsistent durchzuhalten. Wenn man also im Hauptteil des Dokuments semantische Überschriften verwendet, dann sollte man nicht für den Anhang zu strukturellen Überschriften wechseln.
Dieser Konsistenzgedanke verbietet auch, dass man im Hauptteil als oberste Gliederungsebene `\section` verwendet, dann den Anhang als `\section{Anhang}` einleitet und die einzelnen *Anhänge* darunter dann mit `\subsection{Allgemeine Ergänzungen}`, `\subsection{Abbildungen}`, `\subsection{Tafeln}` etc. aufsammelt. Damit wäre nämlich faktisch die oberste Gliederungsebene im Anhang nicht mehr entsprechend dem Hauptteil `\section`, sondern `\subsection`. Die dabei entstehende Problematik, dass man dazu die Nummerierung der `\subsection`-Befehle ändern muss, damit sie nicht mehr mit einer `\section`-Nummer beginnen, verstärkt das Problem. Tut man dies nämlich, so werden bezüglich der Überschriftenformatierung, also Größe und Schrift etc., sowie bezüglich Kolumnentitel und Inhaltsverzeichniseintrag dennoch Abschnitte niedrigerer Ebene erzeugt, die jedoch ein anderes Nummerierungsschema erhalten als die Abschnitte gleicher Ebene im Hauptteil.
Umsetzung
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Wie also geht es richtig? Richtig ist, im Anhang konsistent mit dem Hauptteil vorzugehen. Allgemein bedeutet das, bei Artikel-Dokumenten (beispielsweise Klasse `article` oder `scrartcl`) für die genannten Abschnitte wirklich Abschnitte, also `\section` zu verwenden. Damit diese Abschnitte von denen im Hauptteil zu unterscheiden ist, verwendet man zwar kein anderes Nummerierungsschema, aber einen anderen Nummerierungsstil. In der Regel werden für den Hauptteil arabische Zahlen und für die Anhänge Großbuchstaben verwendet. Das erreicht man bei LaTeX einfach, indem man vor dem ersten Anhang `\appendix` verwendet. Alles andere bleibt gleich! Man erhält so:
\documentclass{scrartcl}
\usepackage[ngerman]{babel}
\usepackage[utf8]{inputenc}
\usepackage{mwe}
\pagestyle{headings}
\begin{document}
\tableofcontents
\blinddocument
\appendix
\section{Allgemeine Ergänzungen}
\Blindtext[5]
\section{Abbildungen}
In diesem Anhang finden Sie alle Abbildungen zu \dots
\bigskip\noindent
\begin{minipage}{\textwidth}
\centering
\includegraphics{example-image}
\captionof{figure}{Das erste Beispielbild}
\end{minipage}
\bigskip\noindent
\begin{minipage}{\textwidth}
\centering
\includegraphics{example-image-a}
\captionof{figure}{Ein anderes Bild. \blindtext}
\end{minipage}
\section{Tafeln}
In diesem Anhang finden Sie alle Tafeln und Tabellen zu \dots
\end{document}
Allein die geänderte Nummerierung genügt, um den Anhang zu verdeutlichen.
Ist eine Stukturinformation dennoch zwingend erforderlich, so ist diese auf Kapitelebene einfach möglich. Die Kapitelebene bietet bei den Standardklassen bereits von sich auch die Strukturinformation »Kapitel«, die im Anhang automatisch zu »Anhang« wird:
\documentclass{scrartcl}
\documentclass{report}
\usepackage[ngerman]{babel}
\usepackage[utf8]{inputenc}
\usepackage{caption}% u. a. für \captionof
\usepackage{mwe}
\pagestyle{headings}
\begin{document}
\tableofcontents
\blinddocument
\appendix
\section{Allgemeine \chapter{Allgemeine Ergänzungen}
\Blindtext[5]
\section{Abbildungen}
\chapter{Abbildungen}
In diesem Anhang finden Sie alle Abbildungen zu \dots
\bigskip\noindent
\begin{minipage}{\textwidth}
\centering
\includegraphics{example-image}
\captionof{figure}{Das erste Beispielbild}
\end{minipage}
\bigskip\noindent
\begin{minipage}{\textwidth}
\centering
\includegraphics{example-image-a}
\captionof{figure}{Ein anderes Bild. \blindtext}
\end{minipage}
\section{Tafeln}
\chapter{Tafeln}
In diesem Anhang finden Sie alle Tafeln und Tabellen zu \dots
\end{document}
Bei den KOMA-Script-Klassen muss man diese Strukturinformation erst mit Option `chapterprefix` aktivieren:
\documentclass[chapterprefix]{scrreprt}
\usepackage[ngerman]{babel}
\usepackage[utf8]{inputenc}
\usepackage{mwe}
\pagestyle{headings}
\begin{document}
\tableofcontents
\blinddocument
\appendix
\chapter{Allgemeine Ergänzungen}
\Blindtext[5]
\chapter{Abbildungen}
In diesem Anhang finden Sie alle Abbildungen zu \dots
\bigskip\noindent
\begin{minipage}{\textwidth}
\centering
\includegraphics{example-image}
\captionof{figure}{Das erste Beispielbild}
\end{minipage}
\bigskip\noindent
\begin{minipage}{\textwidth}
\centering
\includegraphics{example-image-a}
\captionof{figure}{Ein anderes Bild. \blindtext}
\end{minipage}
\chapter{Tafeln}
In diesem Anhang finden Sie alle Tafeln und Tabellen zu \dots
\end{document}
Zwar bieten die KOMA-Script-Klassen mit `appendixprefix` auch die Möglichkeit, die Strukturinformation auf den Anhang zu beschränken und im Hauptteil darauf zu verzichten, unter dem oben erwähnten Konsistenzgedanken ist dies jedoch keine gute Wahl. Eine entsprechende Bemerkung findet sich auch bei der Erklärung der Option in der [KOMA-Script-Anleitung](http://www.komascript.de/scrguide) und im [KOMA-Script-Buch](http://www.komascript.de/komascriptbuch).
Bei Artikel-Dokumenten gibt es solche Strukturinformationen normalerweise nicht. Prinzipiell wäre es denkbar hier ähnlich den Kapitelüberschriften bei Berichten oder Büchern die Abschnittsüberschriften mit einer Strukturinformation zu versehen. Bei `scrartcl` wäre das beispielsweise mit
\renewcommand*{\sectionformat}{\secapp~\thesection\autodot}
\newcommand*{\secapp}{Abschnitt}
\newcommand*{\appendixmore}{\renewcommand*{\secapp}{Anhang}}
möglich. Üblich ist das aber nicht! Für Dokumente mit Strukturinformation sei daher besser `report`, `book`, `scrreprt`, `scrbook` oder eine andere Klasse mit (optionaler) Strukturinformation in den Kapitelüberschriften empfohlen.
Teilweise wird ersatzweise empfohlen, die Strukturinformation ggf. auf Teile-Ebene einzufügen, also
\appendix
\part*{\appendixname}
\section{Ergänzende Informationen}
zu verwenden. Dies löst zwar das Problem der einheitlichen Gliederungsebenen im Hauptteil und Anhang, stellt aber selbst ebenfalls einen Verstoß gegen das Prinzip dar, keine strukturellen, sondern inhaltliche Überschriftstexte zu verwenden. Es kann also nur eine Notlösung sein. Ideal ist es dagegen nicht.
Sonderbetrachtung Inhaltsverzeichnis
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Bei den bisher vorgestellten Lösungen ist im Inhaltsverzeichnis keinerlei Strukturinformation zu finden. Das gilt sowohl für die Kapitel des Hauptteils als auch für die Kapitel des Anhangs. Bei Verwendung einer KOMA-Script-Klasse kann man das jedoch einfach ändern:
\documentclass[chapterprefix]{scrreprt}
\usepackage[ngerman]{babel}
\usepackage[utf8]{inputenc}
\usepackage{mwe}
\pagestyle{headings}
\usepackage{xpatch}
\xpatchcmd{\addchaptertocentry}{% Kapiteleinträge ins Inhaltsverzeichnis ändern
\addtocentrydefault{chapter}{#1}{#2}% statt einfach die Standardeinträge zu verwenden
}{%
\IfArgIsEmpty{#1}{%
\addtocentrydefault{chapter}{#1}{#2}%
}{%
\addtocentrydefault{chapter}{\chapapp~#1}{#2}% die Nummer (#1) mit einem Präfix versehen
}%
}{}{}
\RedeclareSectionCommand[tocnumwidth=5.5em]{chapter}% Platz für die breiteren Nummern schaffen
\begin{document}
\tableofcontents
\blinddocument
\appendix
\chapter{Allgemeine Ergänzungen}
\Blindtext[5]
\chapter{Abbildungen}
In diesem Anhang finden Sie alle Abbildungen zu \dots
\bigskip\noindent
\begin{minipage}{\textwidth}
\centering
\includegraphics{example-image}
\captionof{figure}{Das erste Beispielbild}
\end{minipage}
\bigskip\noindent
\begin{minipage}{\textwidth}
\centering
\includegraphics{example-image-a}
\captionof{figure}{Ein anderes Bild. \blindtext}
\end{minipage}
\chapter{Tafeln}
In diesem Anhang finden Sie alle Tafeln und Tabellen zu \dots
\end{document}
Nicht nummerierte Kapitel/Anhänge erhalten dabei absichtlich keinen Strukturpräfix, weil diese häufig für Verzeichnisse verwendet werden, die keine solchen Strukturinformationen tragen sollen.
Weitere Möglichkeiten für das Inhaltsverzeichnis sind [auf der KOMA-Script-Homepage](http://komascript.de/node/1766) zu finden. Die dortige Lösung trägt allerdings wiederum das Problem der Inkonsistenz zwischen Hauptteil und Anhang.
Sonderbetrachtung Kolumnentitel
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Bezüglich der Kolumentitel ist keine Sonderbetrachtung notwendig. Auch hier gilt das Konsistenzprinzip. Das bedeutet, dass Kolumnentitel entweder generell mit oder generell ohne Strukturinformationen zu verwenden sind. Das geschieht bei den Standardklassen und den KOMA-Script-Klassen mit obigen Lösungen automatisch. Dass die Notlösung `\part*{Anhang}` keine Auswirkungen auf einen etwaigen Kolumnentitel hat, ist dabei als korrekt und wünschenswert einzuordnen.