In letzter Zeit lese ich öfter, man soll besser Vanilla TeXLive installieren? Was ist dran?

gefragt 08 Apr '16, 17:11

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cis
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Der Begriff Vanilla Software steht für Software aus der Original-Quelle. Das kann entweder Software sein, die direkt aus den Quellen erzeugt und installiert wird oder fertige Pakete, die von den Entwicklern selbst oder zumindest in deren Wirkungsbereich bereitgestellt werden. Der Ausdruck kommt daher, dass angeblich einst alle Geschmacksrichtungen von Milchspeiseeis auf der Basis von Vanilleeis hergestellt wurden. Vanilla ist hier also als Synonym für ursprünglich oder unverfälscht zu verstehen.

Bei TeX Live ist mit Vanilla-TeX-Live also das Original TeX Live entweder aus dem ISO-Image oder von einer DVD oder via Net-Installer gemeint. Bei DVD, die als Zugabe zu Büchern verteilt werden, kann man sich nicht sicher sein, dass es sich dabei um Vanilla-TeX-Live handelt, da dort teilweise der Umfang reduziert oder verändert wurde.

Für Windows ist mit nur Vanilla-TeX-Live bekannt. Für OS X gibt es den Spezialfall, dass es zwar möglich ist, Vanilla-TeX-Live zu installieren, die empfohlene Methode ist dort aber die Verwendung von MacTeX. MacTeX ist eine Art Wrapper um Vanilla-TeX-Live, der für eine bessere Integration in OS X sorgt.

Nicht Vanilla sind TeX-Live-Pakete von Linux-Distributionen. Diese unterscheiden sich immer in der Zusammenstellung, meist sind auch die Binaries neu compiliert. Es gibt jedoch für einige Linux-Distributionen alternative Pakete oder Scripte, die lediglich einen Installer für Vanilla-TeX-Live bereitstellen oder dem Linux-Paketmanager erklären, dass Vanilla-TeX-Live mit allen benötigten Abhängigkeiten installiert wurde. Siehe dazu »Original/Vanilla TeX Live« in »TeX Live für Linux«.

Die Hauptvorteile von Vanilla-TeX-Live unter Linux sind ebenfalls unter »TeX Live für Linux« bereits aufgeführt:

  • Es wird immer der TeX-Live-Paketmanager tlmgr mit installiert.
  • In der Voreinstellung wird das komplette TeX-Live installiert, so dass man nicht wie bei den Linux-Paketen für TeX-Live erst wissen muss, welche Pakete man tatsächlich braucht bzw. aus welchen Paketen TeX-Live überhaupt besteht.
  • Es gibt kaum Linux-Distribution spezifische Eigenheiten, die es Helfern einer anderen Linux-Distribution erschweren, bei Problemen Hilfe zu leisten.
  • Man ist darauf angewiesen, dass es für überhaupt Linux-Pakete für die aktuelle TeX-Live-Distribution gibt.
  • Die Paketaktualisierung kann zentral für alle Benutzer erfolgen, so dass Paketupdates nicht von allen Benutzern durchgeführt werden müssen und dann ggf. Pakete zig-fach in den Benutzerverzeichnissen installiert sind.
  • TeX-Live-Pakete werden meist (teil-)automatisiert über Nacht aus aktualisierten Paketen auf CTAN erzeugt, so dass auf CTAN bereitgestellte Updates meist nach 1–2 Tagen bereits als TeX-Live-Pakete via tlmgr verfügbar sind.

Darüber hinaus kam es in der Vergangenheit auch schon vor, dass in den Linux-Paketen LaTeX-Paketversionen enthalten waren, die fatale Fehler enthielten, oder dass LaTeX-Pakete in inkompatiblen Versionen kombiniert wurden. Wenn es dann kein tlmgr gibt und die Pakete, wie bei den Linux-Distributionen üblich, nicht erneuert werden, ist das recht ungünstig. Kommen solche Fehler bei Vanilla-TeX-Live vor, erhält man Updates hingegen fast immer zeitnah über tlmgr.

Nachteile von Vanilla-TeX-Live sind:

  • Der Linux-Paketmanager muss ggf. über spezielle Pakete informiert werden, dass Abhängigkeiten anderer Linux-Pakete, beispielsweise für LaTeX-Editoren, erfüllt sind oder man muss dem Paketmanager mitteilen, dass er bei der Installation die Abhängigkeiten ignorieren soll, oder man muss die TeX-Live-Pakete der Linux-Distribution überflüssiger Weise parallel installieren (lassen). Entsprechende Pseudo- oder Dummy-Pakete gibt es für fast alle Linux-Distributionen. Man muss sie also allenfalls finden (siehe dazu »Original/Vanilla TeX Live« in »TeX Live für Linux«).
  • Man muss ggf. einige Pakete, die tlmgr benötigt, selbst installieren. Derzeit betrifft das die GUI von tlmgr, die perl-tk benötigt. tlmgr funktioniert allerdings auch im Textmodus.
  • Man muss TeX-Live selbst korrekt in die Environment-Variable PATH eintragen, damit es systemweit gefunden wird. Dies wird von den oben genannten Dummy-Paketen teilweise ebenfalls erledigt. Außerdem wird es in der Installationsanleitung und am Ende der Installation erklärt.
  • Grundlegende Linux-Kenntnisse werden vorausgesetzt.
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beantwortet 09 Apr '16, 16:18

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saputello
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bearbeitet 10 Apr '16, 18:18

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zuletzt geändert: 10 Apr '16, 18:18